Godena – Göttin der Nacht

Zu Beginn, als die Lebewesen die Welt besiedelten, kannten sie keinen Schlaf, kein Vergessen und keinen Tod. Die Pflanzen blühten, wuchsen und wucherten, bis der Boden nicht mehr zu sehen war, die Tiere vermehrten sich, und ihre trampelnden Hufe und Pfoten schlugen tiefe Wunden in den Erdboden. Und die Menschen zeugten Kinder, die heran wuchsen und wiederum Kinder hatten, und es war kein Platz mehr zwischen ihnen.
Die Geister der Menschen sammelten in ihren endlosen Tagen Erfahrungen über Erfahrungen, und unter der Last der Erinnerungen waren sie kaum noch zu einem Gedanken fähig.
Das Leben dehnte sich aus, überfüllte die Welt bis zum Ersticken und konnte nicht sterben. Da sprach Godena ein Wort, und das Wort war der Tod.
Doch Godena befreite die Menschen nicht allein von der Bürde der Unsterblichkeit, die nur die Götter zu tragen wissen, sondern schenkte ihnen den süßen Schlaf, damit sie sich von den Mühen des Tages erholen konnten und das Vergessen, damit sie erlittenes Leid nicht auf immerdar tragen mussten und sie schenkte ihnen die Träume, süße Träume, voller Glückseligkeit und Trost, um dem Braven Muße zu geben von der Last des Tages, und bittere Träume, da Alpe sich auf den Schläfer stürzen, den zu strafen, der frevelt oder Unrecht tut und dessen Gewissen nicht rein und auch Wahrträume, die Kunde geben von dem, was sein wird oder sein mag, Erkenntnis zu finden darinnen.
Die Farbe der Göttin ist das Blau der Nacht, denn in ihm allein liegt die Tiefgründigkeit des Daseins, und wie keine andere Farbe verkörpert sie zu gleicher Zeit die Vergänglichkeit und die Unendlichkeit.
Leben ist Werden und Entstehen, doch ohne Vergehen und Enden fehlt ihm jeglicher Sinn. Wer alle Zeit der Welt hat, kennt nicht den Wert der Zeit. Ein Leben, das um sich selber kreist, schreitet nicht fort. Der Tod jedoch zerbricht den Kreis und gibt dem Leben Richtung und Ziel, versinnbildlicht im Godenazeichen des halben Rades. So wie die Anhänger der Godena die Toten zu ihrer letzten Ruhe geleiten, so führt Godena selbst die Seelen der Toten ins Jenseits und richtet über ihr weiteres Schicksal. Alle Taten eines Menschen, gute wie schlechte, werden von ihr auf Rethar, der Seelenwaage, bemessen, auf dass sich für eine jede Seele entscheide, ob sie für wert befunden wird, von einem der Götter in seine Hallen aufgenommen zu werden, oder ob ihr die ewige Verdammnis dräut. Die meisten Seelen aber beschenkt Godena mit der Gnade des Vergessens, auf dass alle Mühe und Last des Lebens von ihnen abfalle.

– Liber Aeternitas: Vom Wesen Godenas

Das gebrochene oder halbe Wagenrad symbolisieren das Unterbrechen des Lebenskreises und stehen für den Tod. Aber auch die Eule als Sinntier oder Federn werden häufig im Godena-Glauben genutzt.
Die Farbe Godenas ist ein tiefes Blau, das gleichsam die Vergänglichkeit und die Ewigkeit zeigt.
godena
Eine junge beleibte Frau in dunklen Gewändern und mit dunklem Haar, so wird die Göttin Godena im Zusammanhang mit Hariphea oft dargestellt. Oft trägt sie eine erloschene Kerze in der Hand oder eine Eule auf der Schulter.
In einzelnen Darstellungen wird meist Abstand von der menschlichen Variante genommen und Godena wird als prachtvolle und stolze Eule an sich dargestellt.

Bashdaria

Der Sendbote für die Träume ist der zweigestaltige Bashdaria, den man den Träumer und Ewigen Schläfer nennt, denn ihm entspringt ein jeder Traum, der je von einer Kreatur geträumt, und er ist es, der in der Nacht die Träume in die Köpfe der Schläfer trägt.
Und zwiegestaltig nennt man ihn, da er zwei Gesichter hat: Ein Antlitz ist so schön und bunt wie das Gefieder eines prachtvollen Vogels. Und in dieser Gestalt, als prächtiger Vogel mit schillerndem Federkleid, bringt er den Menschen die süßen Träume, in denen sie Kraft für den nächsten Tag schöpfen dürfen. Seine andere Gestalt aber ist von solcher Abscheulichkeit, das ein Daimon sich bei ihrem Anblick in Ekel winden würde: Moderndes Fleisch hängt von den blanken Knochen des gewaltigen Krähenvogels, die rußfarbenen Schwingen sind durchlöchert, nur wenige zerschlissene Federn zieren sein Kleid. Der Hauch des Todes umwölkt sein widerwärtig anzuschauendes Haupt, der Gestank nach Verwesung und Verfall ist allzeit um ihn. Sein Schnabel ist scharf und gebogen wie der eines Raubvogels, mit langen scharfen Klauen zerfetzt er dem Frevler, dem Gewissenlosen, das schlafende Herz in der Brust. Die Augenhöhlen Bashdarias, des Peinigers, aber sind leer und tot, und dennoch weiß er stets, wo diejenigen zu finden sind, die er heimsuchen will.

Marius

Um aber für eine Seele zu bitten, wenden sich die Menschen von alters her an den sanften Marius, Sohn der Schweigsamen Göttin, ihr gezeugt von einem Sterblichen, dem schönen Edwin, der, als er in der Blüte seines Lebens vor die Meisterin der Unendlichkeit treten musste, das kalte, strenge Herz der Göttin zu rühren vermochte. Sie ließ sich von Edwin verführen und sie öffnete Edwin das Tor zurück in die Gefilde der Sterblichen. Und der bleiche, schöne Marius ist es, der von allen lebenden Wesen am ehesten die Gnade besitzt, das gerechte, aber kalte Herz seiner Mutter zu erwärmen und eine weitere Frist für einen Sterblichen zu erbitten.

Uther

Der schweigsame Uther ist der Wächter der Pforte zu Godenas Totenhalle, die als nördlichstes Sternbild um den Polarstern kreist. Jede Seele, die jenseits schwebt, trifft sein Blick, und niemand denn Godena, Marius und der Tod können ihn ungehindert passieren. Wortlos weist er alle zurück, die nach ihren Toten suchen, und nur die Magie der großen Nekromanten kann ihn täuschen. Zuweilen befiehlt Godena direkt den Tod eines Sterblichen. Nur dann spricht Uther und nennt den Namen des Bezeichneten. Sodann eilt sein Pfeil auf unsere Erde, unbeirrbar sein Ziel suchend, und nicht einmal Uther kann ihn zurückrufen, ehe er nicht mit der Seele des Sterblichen zurückkehrt. Dies aber ist die Erklärung, warum manche Menschen wie aus heiterem Himmel vom Blitz getroffen ohne erkennbare Anzeichen sterben.